Sommerregen

Ich weiß wie es ist alleine im Regen zustehen. Keinen Hoffnungsschimmer zu sehen. Keinen Silberstreifen am Horizont. Doch der Moment ist dennoch ein Einzigartiger, denn man ist alleine auf der Welt. Zumindest für diesen einen besonderen Moment. Man ist ganz bei sich. Es hört mich keiner, aber es sieht mich auch keiner. Wie ein Geist schwebe ich in diesem magischen Moment über die Erde. Es ist kein einsamer Moment, es ist ein Moment bei dem ich ausschließlich nur bei mir bin.

Doch wäre dies nicht ein bisschen Realitätsfern? Niemand ist doch so wirklich bei sich in der heutigen Zeit. Auch ich ertappe mich immer wieder dabei der Abhängigkeit zu meinem Handy zu verfallen. Ich schaue in Momenten auf mein Handy in denen ich mich unwohl fühle, besonders in denen wenn ich es vermeiden möchte mich mit Menschen zu unterhalten. Keine Eigenschaft, die ich einmal als Resonanz meines Lebens ziehen möchte. Unsere Gesellschaft ist ohnehin sehr mit sich selbst beschäftigt, das Handy ist dabei nur ein weiterer kleiner Stein der im Weg liegt und das Problem noch unlösbarer macht, als es ohnehin schon ist. Neurotische Wesen, die mit ihrem kleinen viereckigen Ding als Beiwerk durch das Leben laufen. Verwundert darüber, dass die Generationen zu vor, so viele enge Freunde hatten und so schnell die Liebe ihres Lebens gefunden hat. Machen wir uns doch nichts vor. Wir werden digital keine Liebe finden. Wir werden digital keine Emotionen entfachen können und schon gar nicht Beziehung aufbauen können.

Wir müssen ganz von vorne beginnen. Wir müssen uns ernst neu kennenlernen. Wir müssen wieder auf uns selbst hören und darauf, was es heißt Mensch zu sein in einer Gesellschaft. Einander Aufmerksamkeit schenken und nicht der Vielfalt an Ablenkungsstätten im Internet. Wir müssen aufhören uns lächerliche Auswege zu suchen die uns davon abhalten Mensch zu sein. Wenn wir nicht einmal mehr das sein können und unsere Werte und Fähigkeiten spüren, was sind wir dann schon? Atmen und kognitive Fähigkeiten ausbauen können auch sehr viel weniger komplexe Wesen. Machen wir uns doch nichts vor, auch einem Hund können wir beibringen auf einen Handybildschirm zu starren und mit dem Schwanz zu wedeln, wenn eine Nachricht eingeht. Nichts anderes tun wir schließlich auch. Abhängig davon zu sein, dass gewisse Glücksbotenstoffe freigesetzt werden sobald eine Nachricht eintrudelt.

Stellen wir uns doch erst einmal vor wir freuen uns gleichermaßen, wenn im wirklichen Leben mal einer mit uns redet. Das kommt derzeit noch häufig vor. Aber irgendwann wird auch das abnehmen in unserer blinden Besessenheit von Technologie und der Tatsache darüber im „Kontakt“ zu bleiben. Das Leben und die Freundschaften, die einem darin begegnen bauen nicht auf eine solche Interaktion aus. Das Leben und die Beziehungen die man hat, bauen auf weit mehr auf. Auf Emotionen und auf Geschichten die man miteinander erlebt hat. In Guten wie in Schlechten Zeiten. An schönen Tagen, wo die Sonne scheint und an tristen Tagen, wo es regnet. Was man daraus macht ist das Leben und nicht das was man zeigt. Wie toll man ist. Was man gerade gegessen oder getrunken hat.

Und mit „wir“ meine ich mich. Ich selber muss mich so oft zwingen nicht diesen Reizen zu verfallen, die mich aus meiner Ruhe bringen. Die mich daran hindern im Sommerregen zu stehen und ihn zu genießen, ganz für mich allein. Und wenn ich genauer hinsehe und die Augen öffne, dann stelle ich sogar fest, dass ich dort gar nicht allein stand, sondern eine ganze Reihe von Menschen, die dasselbe Gefühl hatten und mit mir diesen so besonderen Moment geteilt haben, ganz ohne technische Kommunikationsmittel.

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